Gemeinsam einsam – eine Anleitung zur Weihnachtsfeier in Pandemiezeiten
Lukas Mäglin
Kategorie:in
Über cyon
Veröffentlicht am 14. Jan. 2021
Aktualisiert am 10. Sept. 2024
Am 11. Dezember 2020 ging unser traditionelles Weihnachtsessen über die Bühne. Und wir haben dabei nicht nur zusammen gespiesen, getrunken und gelacht, sondern so ganz nebenbei auch noch einen Mordfall aufgeklärt. In Zeiten von Corona ist das, du ahnst es bereits, aber nur von daheim aus möglich.
Zum Glück sind wir uns als IT-Firma Remote-Meetings bereits bestens gewohnt, kennen gleichzeitig aber auch deren Tücken: Konversationen via Zoom & Co. sind nicht gleich produktiv und spannend wie die Diskussionen von Angesicht zu Angesicht. Man sieht sich nicht gleich gut, man spürt sich (resp. den Schwips des Gegenübers) nicht gleich gut, man fällt sich aufgrund der geringen, aber doch nicht unwesentlichen Latenz oft ins Wort. Und sprechen viele gleichzeitig, entsteht schnell ein undefinierbarer Geräuschbrei. Das dämpft das Vergnügen einer spontanen, unkoordinierten Unterhaltung und ermüdet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Remote alleine war deshalb keine Lösung für unser Weihnachtsessen. Stattdessen musste ein Rahmenprogramm her – und wie es sich für cyon gehört: Am besten kommt’s mit Marke Eigenbau. Nachahmen explizit erwünscht, eine Zutatenliste findest du ganz am Schluss.
Ein Spektakel um sie alle vor den Bildschirm zu bannen
Um ein verfrühtes Dahinschmelzen der Teilnehmendenzahl am virtuellen Event zu verhindern, waren wir besonders gefordert. Das Rahmenprogramm sollte die Leute bei der Stange halten und es auch ruhigeren Zeitgenossen ermöglichen, sich einzubringen. Wir brauchten ein Konzept, ein Theme, eine Story, ein Abenteuer!
Gesagt, getan. Eine designierte Vier-Personen-Taskforce brainstormte, diskutierte und skizzierte mögliche Ideen und favorisierte schnell eine Art Krimi-Dinner. Simpel und einfach. Ohne grossen Aufwand. Und plötzlich kamen die kreativen Einfälle. Eine Story wurde entwickelt. Und dann übernahm die Besessenheit, den besten virtuellen cyon-Event aller Zeiten auf die Beine zu stellen, endgültig das Ruder.
Man stelle sich vor …
Das cyon-Büro ist leer, schliesslich sitzen alle im Home-Office. Für den Abend des 11. Dezember hat sich jedoch ein regionales Polizeikorps, 43 wackere Ordnungshüterinnen und Ordnungshüter, bei cyon eingemietet, weil deren enge Räumlichkeiten für den Weihnachtsevent unter Einhaltung der Abstandsregelung nicht ausreichten.
Anm. d. Red.: Der Clou – das Polizeikorps waren wir selbst, also die cyon-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.
Ans Rednerpult tritt Konrad Kommissar, welcher in der cyon-Cafeteria einen absurd schrägen Powerpoint-Jahresrückblick über das letzte Polizeijahr zum Besten gibt.
Es folgt tosender Applaus.
Und jetzt … Teambuilding!
Eine (rasch selbstgecodete) Online-Variante des Spiels «Ordungshüter» wird vorgestellt. Es gilt, Bond-Filme per Drag-and-Drop der Reihe nach zu ordnen. Und am Ende gibt’s eine Runde Hooked on a feeling zur allgemeinen Mobilmachung des Teamgeistes. Ooga-chaka Ooga-Ooga!
Dann der grosse Eklat: Plötzlich ist der Schrei einer Frau aus dem Treppenhaus zu hören.
Konrad Kommissar kommt zurück und erklärt schnaufend, dass die Sekretärin der Firma, die mit uns das Gebäude teilt, einen hohen Manager namens Oskar Opfer beim Lift vorgefunden hat. In einer Lifttür eingeklemmt. Und überaus unlebendig. Der Kommissar erklärt, er habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber es helfe nichts – wir seien heute Abend wirklich das einzige halbwegs nüchterne Polizeikorps in der Region, das diesen Vorfall untersuchen könne. Und so wird aus dem Weihnachtsevent plötzlich ein unfreiwilliger Arbeitseinsatz.
Ermitteln mit TAKTIK
Sogleich werden vier Teams zur Spurensicherung nach dem state-of-the-art TAKTIK-Prinzip abkommandiert (Teamorientiertes Aber Kompetitives Investigations-Kommando). Was soviel heisst wie: Lasst uns Jeopardy spielen.
Durch die Beantwortung schwieriger Fragen können so Hinweise in Form von zunehmend ausführlicheren Tatort-Protokollen freigespielt werden.
Hypermodernes Akten-Management
Um die gefundenen Indizien zu sammeln und zu ordnen, wird den Ermittlerinnen und Ermittlern ein von der Polizei selbstentwickeltes, brandneues und hochmodernes Tool zur Verfügung gestellt: Akte2000 (TM). Darin lassen sich in bester Windows-98-Manier die Daten aller Hauptverdächtigen erfassen und ein Verdächtigkeits-Score ermitteln. Fax-Funktion inklusive.
Dem Volker Verhör ist nichts zu schwör
Die eine Hälfte der Ermittlungs-Crew hat nun die Aufgabe, die zehn hauptverdächtigen Personen zu verhören und sie mit den gefundenen Hinweisen zu konfrontieren. Das Ziel ist klar: Die Verdachtspersonen sollen mit gezielten Fragen zu Widersprüchen, gegenseitigen Anschuldigungen und entlarvenden Aussagen verleitet werden. Als Spezialwerkzeug steht der Ermittlungs-Crew ausserdem ein begrenztes Arsenal an Wahrheits-Seren mit gefährlichen Nebenwirkungen zur Verfügung.
Dies alles unter den wachsamen Augen von «Volker Verhör», dem ruppigen, qualmenden Verhör-Altmeister.
Zak McKracken lässt grüssen
Die andere Hälfte Korps wird daneben als Ermittlungsteam parallel in ein bahnbrechendes Point-&-Click -Adventure-Game geschickt.
Anm. d. Red.: Bei wem der Begriff «Point-& -Click-Adventure» keine Pupillenerweiterung um mindestens 35% auslöst, dem sei z.B. die in den 80er und 90er Jahren populär gewordenen Spiele-Perlen wie Maniac Mansion, Zak McKracken oder Monkey Island empfohlen, die damals und heute noch die Herzen unzähliger Nerds höher schlagen lassen. Mehr dazu in der technischen Fussnote.
Auf den Platz tritt hier Star-Ermittler «Ludwig McKracken», ein etwas lethargischer Kerl in Hawaiihemd und Springerstiefeln. Er steht als Hauptfigur vor der Kamera und führt die Befehle der übrigen Ermittler live aus. Wie in echten Adventures können Dinge angesehen, benutzt, gedrückt, gezogen oder sogar genommen werden und finden dann Platz in seiner unerschöpflich grossen Manteltasche.
Die Spielmechanik läuft in etwa so ab:
Die Spieler sprechen ihre Handlung nach demokratischer Absprache laut aus.
Anm. d. Red.: Unser Erzähler namens «Ottokar von Off», der zugleich das Spiel steuerte, hatte dann die richtige Reaktion aus dem Storyboard herauszusuchen. Mehr dazu in der technischen Fussnote.
Ist die Handlung nicht zielführend, gibt es eine entsprechende Gegenanweisung vom Erzähler:
Oder aber es wird aus einer handvoll generischer «Nietensätze» geschöpft, wie zum Beispiel:
Ist der Befehl gültig, gibt der Erzähler vor, was Ludwig nun tut. Wie zum Beispiel:
Anm. d. Red.: Während der Erzähler dies sagt, führt die Person vor der Kamera, die den Spielleiter per Knopf im Ohr hört, diese Handlung aus und deckt so neue Erkenntnisse auf.
Die Spielerinnen und Spieler können neben einigen Büroräumlichkeiten noch diverse andere Schauplätze besuchen, beispielsweise die Tiefgarage oder einen überfüllten Badestrand in Timbuktu. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Anm. d. Red.: Ein weit entfernter Schauplatz besteht aus offensichtlichen Gründen nicht mehr aus einem Kamera-Livebild, sondern aus einem eingespielten Video- oder Standbild. Ebenfalls können mittels eingeblendeten Standbildern diverse Gegenstände, etwa ein Aperture-Science-Poster oder ein Computerbildschirm, genauer begutachtet werden.
Liebe geht durch den Magen
Dass es keinen Weihnachtsevent ohne einen von cyon gesponserten Trank und Gaumenschmaus geben kann, ist natürlich auch in Pandemiezeiten keine Frage.
80 Minuten Pause. Zeit für das gemeinsame Abendessen mit den gelieferten Köstlichkeiten.
Anm. d. Red.: Für die Organisatoren ist das die Zeit für ein Rearrangement der Requisiten und eine kleine Verschnaufpause.
Das Verhörteam darf danach in die Rolle der Ermittlerinnen und Ermittler schlüpfen und umgekehrt, damit alle alles erlebt haben.
Il grande finale
5 ½ Stunden später finden sich noch immer alle 40 Polizistinnen und Polizisten konzentriert bei der Sache. Damit hält der Event auch gleich Einzug in die cyon-Chroniken als der bisher best- respektive längstbesuchte Event ever.
Konrad Kommissar berichtet von einem spektakulären Fluchtversuch der Tatperson, der lediglich durch die gewagte Zivilcourage eines Fussgängers und einem Liter Blueberry-Slushpuppy vereitelt werden konnte.
Eine schnaufende Tatperson mit blau verschmiertem Hemd, mit Handschellen an eine Verhörlampe gefesselt, referiert vor laufender Kamera über sämtliche Details ihres überaus genialen Mordkomplotts. Bevor sie am Ende unter irrem Doctor-Evil-Gelächter in silbernen Armreifen abgeführt wird.
Und nach einem 3-minütigen Abspann sind wir dann auch endlich angekommen am wohlverdienten …
Ende. ?
Soll Ludwig auch bei dir ermitteln?
Wir, die besagten vier Köpfe hinter dem Konzept und der Story, würden Ludwig gerne weiter ermitteln lassen. Völlig losgelöst von cyon, versteht sich. Vielleicht demnächst in deinem Zoom-Meeting? Schreibe uns eine E-Mail an mail@cyon.ch. Wir freuen uns.
Die technische Fussnote für Neugierige
Zoom – Die praktische Remote-App
Es liegt uns fern, Fremdwerbung zu machen, aber um unseren etwas mehr als 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen reibungslosen Abend bescheren zu können, hatte das Remote-Tool Zoom für uns gegenüber anderen, zum Beispiel Meet einen grossen Vorteil: Es nutzt die Ressourcen clientseitig, also auf dem Rechner der Benutzerinnen und Benutzer, statt zentral auf einem Server, was eine grosse Anzahl an Teilnehmenden ermöglicht, ohne dass die Latenz zunimmt.
Ausserdem verfügt Zoom über Breakout-Räume. Diese Funktion ist bei einem solchen Event zentral, um grosse Gruppen spontan in kleinere, isolierte Gruppen zu unterteilen, wie dies zum Beispiel bei den Spielen Ordnungshüter und Jeopardy nötig war. Ebenfalls unabdingbar sind eine effiziente Rechteverwaltung, eine gute Gruppen-Steuerung (Spotlight, Mute-All, etc.) und eine zuverlässige Aufnahmefunktion. All das liefert Zoom in der Pro-Version.
Das Verhör – wenig Technik, viel Improvisation
Ein Verhör ist technisch relativ leicht realisierbar. Eine Person, welche per z.B. Zoom «spotlighted» wird (damit der Fokus nicht immer auf den aktuellen Sprecher springt), versetzt sich in die Rolle aller verdächtigen Personen inklusive Volker Verhör. Die verdächtigen Personen unterscheiden sich in Stimme, Dialekt, Oberteil, Haare, Hut oder Brille voneinander. Dabei sollten nur einfache und multifunktionelle Utensilien verwendet werden, welche ausserhalb vom Kamerabild innert Sekunden gewechselt werden können. Das Verhör kann so von einer einzigen Person geleitet werden.
OBS – Das zentrale Tool für Point-&-Click
Der Adventure-Teil war die grösste technische Hürde und stellte zugleich das eigentliche Herzstück des Abends dar.
Für die Umsetzung nutzten wir OBS Studio, eine kostenlose Open-Source-Applikation für Videoaufnahmen und Live-Streaming. Mithilfe dieses Tools realisierten wir unter anderem die folgenden drei Dinge:
- Overlay von Bildern ins Videobild (für Kontrollfeld, Inventar und Hinweise)
- Das Wechseln verschiedener «Scenes», die bei uns die jeweiligen Schauplätze repräsentierten. Eine Scene beinhaltete bei uns typischerweise ein Kamera- oder Standbild sowie die erwähnten Overlays und eine Hintergrundmusik.
- Überblendungen bei Schauplatzwechseln
Fürs richtige Point-&-Click-Feeling
Wer mit altbekannten Mechanismen à la «Benutze-Schlammsuppe-mit-Trompete» oder «Rede-mit-Plüschpantoffel» vertraut ist, kann sich vorstellen, wie viele Kombinationsmöglichkeiten in dieser nostalgischen Entdecker-Welt abgedeckt sein müssen. Eine Welt, in der alles untersucht und auf absurdeste Weise miteinander kombiniert werden kann, bedingt natürlich das Vorbereiten einer gigantischen Liste (Storyboard), in welcher (fast) alle diese Kombinationen textlich abgebildet sein sollten. Diese dient dem Spielleiter dann als wichtige Leitlinie und steigert, wenn gut vorbereitet, die Neugier, auch völlig unsinnige Kombinationen auszuprobieren. Oder aber der Spielleiter improvisiert richtig gerne.
Ein Muss für das richtige Look-and-Feel und den Nostalgiefaktor ist natürlich auch das typische Kontrollfeld für die Point-&-Click Steuerung, das wir uns hier von Indiana Jones and the Fate of Atlantis ausgeborgt hatten.
Die Handhabung der Kamera für Point-&-Click
Der vermeintlichen Einfachheit halber verwendeten wir lediglich eine Wireless-Kamera, die bei Schauplatzwechseln gleich vom Hauptakteur mitgenommen wurde. So musste nicht mit mehreren Kameras hantiert werden, was im Nachhinein per OBS aber keinen wirklichen Mehraufwand bedeutet hätte.
Als Kamera bot sich ein Smartphone auf einem Stativ an, das mittels einer App als Webcam genutzt werden konnte und das Bild per WiFi an den zentralen Computer streamte (für iOS z.B. EpocCam Pro, für Android DroidCam).
Während einer kurzen Schwarzblende, die der Spielleiter jeweils per OBS aktivierte, konnte dann einfach rasch das Kamerastativ von Hand umpositioniert werden. Markierungen am Boden halfen dabei, auch bei mehreren Wechseln wieder dieselbe Kameraposition zu finden.
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5 Kommentare
Wir haben eine ganze Reihe an Dell-Monitoren zwischen U24 und U29 im Einsatz, zurzeit allerdings grösstenteils noch ohne USB-C.
Coole Idee und toll umgesetzt. Scheint für alle unterhaltsam gewesen zu sein und nur darauf kommt es am Ende an. Schön, dass ihr auch ein Video dazu beigesteuert habt.
Das ist ja wohl das coolste Weihnachtsessen von dem ich gehört oder gelesen haben. Respekt.
Vielen herzlichen Dank, Marika. Unsere vier Köpfe hinter dem Konzept würden die Idee gerne weiterleben lassen. Falls Du also einmal Bedarf für einen solchen Event in eigenem Rahmen hast, schreibe uns einfach eine E-Mail an mail@cyon.ch. Lukas und der Rest der Crew melden sich dann gerne bei Dir.
Mich würde ja wirklich mal interessieren welche Dell Monitore ihr verwendet. Gerade in Kombination mit den MacBooks … kommen die einem nur größer als 27“ vor? Sind das USB-C?